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Alle Jahre wieder...

Publiziert am 08.11.2017  von Redaktionsteam Spatz - Das Mitmach-Heft für Kinder von 4 bis 7 und ihre Eltern

Bald ist Weihnachten. Wohl kaum eine Zeit ist mit so vielen Emotionen und Bildern besetzt wie die Advents- und Weihnachtszeit – und mit so vielen Ritualen, die jeder kennt: die Kerzen auf dem Adventskranz entzünden, den Adventskalender füllen, einen Weihnachtsbaum schmücken, den Weihnachtsmarkt besuchen, Plätzchen backen und den Nikolausstiefel vor die Tür stellen. Alle Jahre wieder.

Ich kann mich noch an zahlreiche Weihnachtsrituale aus meiner Kindheit erinnern: Der Wunschzettel wurde auf die Fensterbank gelegt, damit das Christkind ihn abholen konnte (was es auch tat), und an Heiligabend wurde vor dem Nachmittagsspaziergang die Balkontür geöffnet, damit das Christkind die Geschenke vorbeibringen konnte (was es ebenfalls tat). Bis heute gibt es in unserer Familie das Ritual, dass wir zur Bescherung würfeln: Wer eine Sechs hat, darf ein Geschenk öffnen. Wir besuchen gemeinsam die Christmette. Und jedes Jahr wieder freuen sich mit mir zusammen Freunde und Kollegen auf den Baumkuchen, den meine Mutter traditionell im Advent bäckt.

Doch was sind eigentlich Rituale und wozu sind sie gut? In Antoine de Saint-Exupérys Buch „Der kleine Prinz“ begegnet dieser einem Fuchs, mit dem er sich anfreundet. Als sie sich am folgenden Tag wiedersehen, weist der Fuchs darauf hin, dass es besser gewesen wäre, wenn der kleine Prinz zur selben Zeit wie am Vortag gekommen wäre: „Wenn du zum Beispiel um vier Uhr nachmittags kommst, kann ich um drei Uhr anfangen, glücklich zu sein. Je mehr die Zeit vergeht, umso glücklicher werde ich mich fühlen.“ Und als der Fuchs anführt, dass es wichtig ist, feste Bräuche zu haben, und der kleine Prinz ihn fragt, was das sei, ein Brauch, antwortet der Fuchs: „Es ist das, was einen Tag vom anderen unterscheidet, eine Stunde von der anderen Stunde.“

Ein Ritual ist etwas Wiederkehrendes. Rituale geben Struktur, sorgen für Verlässlichkeit und Sicherheit. Ein Ritual ist das, was einen Tag, eine Zeit besonders machen kann, was Gemeinschaft und Verbundenheit schafft. Im besten Fall sorgen Rituale für Vorfreude.
Rituale können aber auch für Spannungen sorgen: Würde der Fuchs den kleinen Prinzen zwingen, immer um vier Uhr nachmittags zu erscheinen, ohne Rücksicht auf dessen Bedürfnisse, nur um des Rituals Willen – die Freundschaft der beiden wäre bald zu Ende. Für ein gelingendes Ritual ist das Einverständnis aller Beteiligten in das Ritual und dessen Wertschätzung wichtig.
Gerade in der Adventszeit, in der Klausuren in der Schule, der Jahresabschluss im Job, zahlreiche Weihnachtsfeiern und eine Liste von Besorgungen jede Menge Hektik aufkommen lassen, können Rituale, die als zusätzliche Pflicht empfunden werden, schnell weitere Stressfaktoren sein.
Doch was wäre, wenn die Rituale im Sinne des kleinen Prinzen zu glücklichen Sternstunden würden? Fünf Tipps, die Familien eine entspannte Adventszeit bescheren:
 

Das eigene Familien-Ritual erfinden

Jeder Familie tut es gut, ihre ganz eigenen Rituale zu entwickeln. Sei es das abendliche Vorlesen einer weihnachtlichen Geschichte aus einem Adventskalenderbuch, das das Warten aufs Christkind ganz ohne Schokolade verkürzt. Oder fünf gemeinsame Minuten, in denen sich die Familie um den Adventskranz versammelt, um einander vom Tag zu erzählen und so selbst bewusster zu leben und die anderen zu erleben. Sei es das Befüllen eines Adventskalenders mit Gutscheinen für gemeinsame Aktivitäten oder mit wertschätzenden Worten: Was zählt, ist die Gemeinschaft, die Verbundenheit durch das Ritual – und das Schaffen schöner Erinnerungen für alle Familienmitglieder. Ideen und Wünsche für solch ein Familienritual können vor Beginn der Adventszeit gemeinsam gesammelt werden.

Sich selbst ein Ritual schenken
Weihnachten ist die Zeit des Schenkens. Wir denken an die anderen und überlegen, wie wir ihnen eine Freude machen können. Warum machen wir uns selbst nicht auch ein Geschenk? Das kann der kurze Augenblick in der Kirche sein, um ein Teelicht anzuzünden und Gott das hinzuhalten, was einen bewegt. Das können kleine Auszeiten sein, die man mit Lesen, einem Saunabesuch oder der besten Freundin verbringt. Tut man sich selbst etwas Gutes, fühlt man sich ausgeglichener und zufriedener – und kann dem Alltag wieder mit neuer Kraft begegnen.
 
Von Ritualen erzählen
Jede Generation, jede Familie, sogar jede Kultur hat ihre eigenen Weihnachtsrituale. Manche ähneln sich, manche sind grundverschieden. Gerade das macht es so spannend! Es kann inspirierend sein, einander von solchen Ritualen zu erzählen, dabei selbst zum Ideengeber zu werden oder neue Impulse zu bekommen. Das kann auf vielerlei Weise geschehen: Im Familienmesskreis wird über die Bedeutung und Gestaltung der Roratemesse gesprochen, welche traditionell im Advent bei Kerzenlicht stattfindet und dadurch besonders stimmungsvoll auf die Geburt Jesu vorbereitet. Oder Großeltern schreiben für ihre Enkelkinder auf, welche Weihnachtsrituale es in ihrer Kindheit gab, versehen diese Aufzeichnungen mit Fotos und verschenken sie. Auch die Flüchtlinge im Ort können dazu eingeladen werden, die Weihnachtsfeier der Gemeinde mit ihren Traditionen mitzugestalten. So lassen sich im Austausch mit anderen längst bekannte Rituale neu erleben.

Rituale umgestalten
Rituale können für eine bestimmte Zeit schön und wertvoll sein – doch irgendwann vielleicht auch einfach nicht mehr passen. Ist aus dem Kind, das einst so gerne am Christbaum ein Weihnachtslied auf dem Klavier vorgespielt hat, ein Jugendlicher geworden, kann sich das bisherige Ritual plötzlich „uncool“ anfühlen. In solch einem Fall darf das Ritual auch einfach verabschiedet oder umgestaltet werden: Sicher findet sich eine schöne CD mit Weihnachtsmusik, die das Livekonzert ersetzt.
 

Willkommen, neues Ritual!

In meiner Heimat wurde es irgendwann unter uns Jugendlichen üblich, sich am Abend des ersten Weihnachtstages in einer Disko zu treffen. Das kam mir selbst zunächst befremdlich vor: an Weihnachten in die Disko gehen? Doch mit den Jahren stieg die Freude darauf, alte Freunde wiederzusehen, die alle zu Weihnachten in unsere Heimat zurückgekommen waren. Auch wenn wir sonst keinen Kontakt hatten, so blieb es ein festes Ritual, diesen Weihnachtsabend miteinander zu verbringen.
Manchmal erscheinen neue Rituale auf den ersten Blick ungewöhnlich, können einem aber viel geben, wenn man sie ausprobiert und sich in aller Offenheit auf sie einlässt. Gerade für Kinder und Jugendliche können sie eine Möglichkeit sein, dem Weihnachtsfest ihren ganz eigenen Akzent zu geben. Werden sie damit ernst genommen, kann dies das Fest in der Familie bereichern und noch schöner und entspannter machen – weil jeder mit dem, was ihm wichtig ist, vorkommen darf.
 
Melanie Jacobi ist Religionspädagogin und Sozialpädagogin. Sie arbeitet als Jugendbildungsreferentin im Bistum Osnabrück.
 
 

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