Wenn Kinder religiöse Fragen stellen

Publiziert am 09.10.2019  von Heike Helmchen-Menke

„Wo kommt die Welt her?“ „Wer hat sich alles ausgedacht?“ „Wo ist meine tote Oma jetzt?“ „Wo war ich, bevor ich in den Bauch der Mama gekommen bin?“ „Ist Gott ein Mann oder eine Frau?“ „Warum macht Gott meinen kranken Papa nicht gesund?“ „Ist Gott derselbe wie Allah?“ – Wir müssen religiöse Fragen nicht an Kinder herantragen, sie sind bereits da. Die Kinder kommen selbst mit diesen Fragen, denn sie wollen hinter die Dinge schauen. Wie wir damit umgehen, sagt viel über unsere Gesellschaft aus und auch über unsere pädagogischen Einrichtungen!

Um es gleich zu sagen: in Kita, Krippe und Kindergarten geht es nicht um die Wahrheitsfrage (also welche Religion die richtige ist), sondern um das Kennenlernen und Verstehen von religiösen Fragen, Themen und Haltungen.
 

Kinderfragen ernstnehmen und religiöse Sprachfähigkeit fördern

  • Es geht darum, Kindern Orientierung in der Welt der Religion und der Religionen zu vermitteln, dass sie die christliche Prägung unserer Kultur kennen und verstehen, dass sie religiöse Symbole erkennen, Rituale erleben, christliche Feste verstehen und feiern.
  • Es geht auch darum, religiöse Vielfalt wahrzunehmen, in der Kindergruppe, in der Einrichtung im Dorf oder der Stadt, in der die Einrichtung ist.
  • Es geht darum, dass Kinder ein Vokabular kennenlernen, mit dem über Religion und religiöse Vorstellungen gesprochen werden kann, also um religiöse Sprachfähigkeit.
  • Und natürlich geht es bei der religiösen Bildung in Kita und Kindergarten darum, Toleranz zu ermöglichen. Tolerant können Menschen werden, wenn sie etwas über Religion und Religionen wissen: Was glaubt der andere, wie betet er, welche Feste feiert er usw.
  • Religion gehört zum Weltwissen von Kindern, so hat es Donata Elschenbroich in ihrem Buch „Weltwissen der Siebenjährigen“ beschrieben. Es geht bei der religiösen Bildung in Kita und Kindergarten also auch darum, alle Kinder, auch diejenigen, die aus religionsfernen Elternhäusern kommen, mit den Zusagen und Hoffnungen der Religion(en) bekannt zu machen – denn kompetent in unserer Gesellschaft aufzuwachsen, beinhaltet auch, verschiedene religiöse Orientierungen zu kennen.
  • Es geht darum, den Jungen und Mädchen Anregungen zu geben und sie in Denkprozesse einzubeziehen, damit die Kinder im Sinne der Ko-Konstruktion zu eigenen Haltungen und Entscheidungen kommen können.

 

Die spirituelle Entwicklung der Kinder gehört zum Kita-Alltag wie Spracherwerb oder musische Bildung

Religiöse Bildung ist Teil des pädagogischen Auftrags. Dazu gehört, dass den religiösen Fragen der Kinder Raum gegeben wird und sie für diese Fragen Orientierung erhalten – heute wird dafür häufig der Begriff der Religionssensibilität verwendet.

Die Orte der frühkindlichen Bildung sind in den letzten Jahren in den Fokus gerückt, um Bildungsprozesse auch in Bezug auf Sinn- und Wertebildung einzuleiten und zu begleiten. Viele Ergebnisse von Entwicklungs- und Hirnforschung haben gezeigt, dass bereits Säuglinge und Kleinkinder ihre Weltsicht selbst konstruieren und dass die Zeit der ersten Lebensjahre für Lernprozesse besonders geeignet und kostbar ist. Mittlerweile gibt es daher in allen Bundesländern eigene Bildungspläne für den Elementarbereich/Kindergarten. In diesen werden unterschiedliche Bildungsfelder berücksichtigt, wie z.B. Spracherwerb, mathematische und naturwissenschaftliche Bildung oder musische und ästhetische Weltzugänge. Ebenso relevant für die Entwicklung der Kinder sind aber auch der spirituelle und religiöse Zugang zu unserer Wirklichkeit.

Die Kunst liegt im sensiblen Umgang mit philosophischen und religiösen Kinderfragen


Doch obwohl die Bereiche Religion, Werte oder interkulturelles und interreligiöses Lernen in den Bildungsplänen der Bundesländer für Kindergärten vorgesehen sind, finden sie nicht überall Umsetzung. Wenn ein Kind fragt, woher die Welt kommt, ist es natürlich viel einfacher, zu erklären, wie sie sich entwickelt hat, als mit dem Kind quasi metaphysisch nachzufragen, warum es die Welt überhaupt gibt. Und wenn ein Kind fragt, warum die Glocken läuten und was eine Kirche ist, dann mag es ein erster Schritt sein zu erklären, wie die Glocke einen Ton erzeugt und aus welchen Baumaterialien das Kirchengebäude besteht. Mit diesen Zugängen fühlen sich viele pädagogische Fachkräfte sicher und viele Eltern können da gut mitgehen. Die Bildungspläne jedoch sehen eine umfassendere Antwort vor.

Religiöse Bildung bedeutet im inklusiven Sinne, die religiösen bzw. auch nichtreligiösen Prägungen aller Kinder wertzuschätzen.

Und auch wenn inklusive religiöse Bildung vom Standpunkt einer bestimmen Religion aus geschieht, findet keine Missionierung statt. Inklusive religiöse Bildung gibt allen Kindern Orientierung in der Welt der Religionen und eröffnet den Jungen und Mädchen religiöse Zusagen zu den existenziellen Fragen der Menschen. Religiöse Bildung ist Teil des allgemeinen pädagogischen Bildungsauftrags, den Bundesländer in den Bildungsplänen vorgeben.
 

Elternarbeit: informieren und Chancen aufzeigen

Um sich im Team mit diesen Fragen auseinanderzusetzen oder auch, um bei einem Elternabend Väter und Mütter mit dem Konzept der religiösen Bildung der Kita oder des Kindergartens vertraut zu machen, eignen sich die Themenkarten „Religion in der Kita“. Sie beleuchte ganz unterschiedliche Aspekt des religiösen und interreligiösen Lernens. Gemeinsam ist allen Karten, dass der Mehrwert für Kinder (und Erwachsene) deutlich wird:

  • Kindern werden grundlegende religiöse Sinndeutungen zugänglich gemacht
  • Philosophieren und Theologisieren mit Kindern über deren Fragen zu Glück, Trauer, Geborgenheit, Verlassenheit, Vertrauen, Angst, Tod und Fragen nach einem Leben nach dem Tod
  • Verschiedene Religionen kennenlernen (interreligiöses Lernen)
  • Kinder lernen die christliche Prägung unserer Kultur kennen und zu verstehen
  • Wertebildung
  • Stärkung für Krisen (Resilienz) und anstehende Übergänge (Transitionen)
  • Kennenlernen von Symbolen und Ritualen und religiösen Festen

 

Im Team: den eigenen Standpunkt und den Standpunkt der Einrichtung klären

Die Themenkarten "Religion in der Kita" enthalten Fachinformationen und Impulsfragen zur Selbstreflexion und knüpfen damit an den Kompetenzen der Erzieherinnen und Erzieher im Team an.

Ein möglicher Einsatz, ist der Einstieg in ein Fachgespräch des Teams zur religiöser Bildung in der Einrichtung. Zunächst werden die Karten auf dem Boden ausgelegt. Die Fachkräfte gehen herum, sehen die Bilder an und können schon die Sprüche auf den Karten lesen. Dann entscheiden sie sich für eine Karte und tauschen sich nun mit einer oder zwei Kolleginnen oder Kollegen in einer Murmelrunde über die Karten aus (Warum habe ich die Karten gewählt? Was hat mich angesprochen?). Dann lesen sie den Impuls auf der Rückseite und tauschen sich darüber ebenfalls mit den Kollegen aus. Im anschließenden Plenum bringt jede Murmelgruppe zu Sprache, welcher Aspekt der religiösen Bildung auf ihren Karten angesprochen wird und wie sie diesen Aspekt in der pädagogischen Arbeit der eigenen Einrichtung einschätzen. Durch die unterschiedlichen Karten werden auch unterschiedliche Aspekte des religiösen Lernens angeschaut und mit dem Konzept des (inter-)religiösen Lernens und des konkreten pädagogischen Handelns der eigenen Einrichtung. Daraus werden sich wiederum zahlreiche Anknüpfungspunkte für das Weiterentwickeln des Konzeptes zur religiösen Bildung der Einrichtung ergeben.

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