"Macht Fotos von den Dingen, die ihr mit Religion verbindet." Die Aufgabe, die ich Jugendlichen im Rahmen einer Studie stellte, war herausfordernd. Die Motive, die ich im Anschluss zu sehen bekam, waren bewegend. Wie zum Beispiel der Rettungsring, den Melanie fotografierte. Der Rettungsring sei ein Zeichen dafür, "dass da etwas ist, was mich retten kann", antwortete die 18-Jährige. Dieses "etwas" sei für sie Gott. Die Aussage berührte mich zutiefst. Die junge Frau erinnerte mich daran, dass es bei der Frage nach der religiösen Erziehung um nicht weniger als ums Ganze geht - um Lebensrettung, um Halt, um Orientierung. Das ist es, was ich selbst in meiner Kindheit erfahren durfte: Es ging um ein Hineinwachsen in Traditionen, in Gemeinschaft und Liturgie, gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass ich mit meinen eigenen Ideen, Fragen und Vorstellungen ernst genommen wurde. Der Glaube an Gott war und ist für mich immer lebensrelevant - auch im konkreten Tun für und mit benachteiligten Menschen. Er ist die Basis meiner Tätigkeit bei den Salesianern Don Boscos, die geleitet wird von der Frage: Wie geht religiöse Erziehung in dieser heute so pluralen Welt?
Die Arbeit mit Jugendlichen im Rahmen der Studie hat mir sehr deutlich gezeigt: Glaube ist nicht etwas, das man in einen (jungen) Menschen hineingibt, sondern etwas, das es gemeinsam zu entdecken gilt. Eine junge Frau erzählte in einem Gespräch über eine für sie wichtige Bezugsperson von dieser Entdeckungsreise. Sie endete mit den Worten: "Sie hat es geschafft, das aus mir rauszuholen."
Damit ist eine Grundhaltung religionssensibler Erziehung beschrieben: Ich muss nicht die theologische Expertin sein, um Kinder und Jugendliche religiös erziehen zu können, sondern in erster Linie ein Mensch, der wach den Lebensglauben, die Fragen und Hoffnungen wahrnimmt und ins Gespräch bringt.
In den UN-Kinderrechtskonventionen ist festgelegt, dass jedes Kind ein Recht auf Begleitung in religiösen Fragen hat. Mehr aber als eine solche Festschreibung sollte die Erkenntnis in der Erziehung leitend sein, dass wir den Kindern und Jugendlichen damit etwas sehr Wesentliches fürs Leben mitgeben: Ein fester Glaube kann durch schwierige Zeiten tragen. Psychologen sprechen von Religion als "Resilienzfaktor" - etwas, das dabei hilft, Krisen zu bewältigen. Ein weiterer Grund, Religion nicht aus der Erziehung auszuklammern, ist die Idee eines friedlichen Zusammenlebens mit anderen Kulturen und Religionen. Dafür müssen wir Wissen über und Erfahrungen mit Religion(en) ermöglichen. Das Wichtigste aber, warum wir niemanden um Gott betrügen sollten, hängt für mich als gläubige Christin mit der Überzeugung zusammen: Gott liebt jeden Menschen um seiner selbst willen, ohne jede Vorbedingung. Diese gute Nachricht sollten wir Kindern und Jugendlichen nicht vorenthalten.
Angelika Gabriel, Theologin und Sozialpädagogin, hat zusammen mit Prof. Dr. Martin Lechner den Ansatz der religionssensiblen Erziehung und Bildung entwickelt. Sie arbeitet seit zehn Jahren als Bildungsreferentin im Jugendpastoralinstitut Don Bosco in Benediktbeuern und ist Beraterin in der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz.
Dieser Beitrag erschien erstmals im Don Bosco Magazin, Januar 2016.
Angelika Gabriel
Angelika Gabriel, Diplom-Theologin, Diplom-Sozialpädagogin, Systemische Beraterin, Geistliche Begleiterin lebt als freie Beraterin und Autorin in Niederbayern.
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Angelika Gabriel, Diplom-Theologin, Diplom-Sozialpädagogin, Systemische Beraterin, Geistliche Begleiterin lebt als freie Beraterin und Autorin in Niederbayern.
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