Don Bosco Verlag für Pädagogik

Mutmach-Geschichte: Die Piraten-Schätze-Finder

Publiziert am 28.05.2020  von Angelika Grubert

Wie Selina und Ben ihren eigenen Schatz finden
Manchmal treffe ich mich nach der Schule mit Ben. Dann machen wir lauter Piratensachen, weil wir das so sehr mögen. „Piraten haben Schatzkisten!“, stellt Ben heute fest. „Aber wir haben noch keine!“, wende ich ein. „Das geht nicht. Da lassen wir uns was einfallen.“ Dann überlegen wir ein Weilchen. Und tatsächlich, wir haben einen Einfall:
„Wir machen es wie Piraten, die gehen doch auch immer auf Schatzsuche.“ Und so kommt es, dass wir überall im Haus nach unserem Schatz stöbern. Sogar auf dem Speicher und im Keller. Wir entdecken zwar alles Mögliche, aber nichts davon ist ein Piratenschatz. Alles was wir davon gebrauchen können, sind zwei leere Schuhkartons. „Daraus können wir wenigstens unsere Schatzkisten basteln.“ „Ja, aber was tun wir da rein?“, überlegt Ben. Plötzlich leuchten seine Augen: „Ich hab’s! Mein großer Bruder hat mir erzählt, dass sie in seiner Klasse alles aufschreiben sollten, was sie an einem anderen mögen. Und auch all das, was sie an sich selbst mögen. Sein Lehrer hat gesagt, es ist so wertvoll wie ein Schatz, wenn man das weiß.“ „Wirklich?“, frage ich, „Und das soll ein Schatz sein?“ „Na klar! Überleg doch mal, wenn du nicht weiterweißt oder traurig bist, kannst du auf deine Schatzliste gucken und sie lesen. So erinnerst du dich an alles, was bei dir gut ist. Und dann geht es dir sofort wieder besser!“ Da bin ich fast schon überzeugt. Nur vorsichtshalber frage ich nochmal genau nach, weil das Piraten sicher so machen: „Meinst du wirklich, dass das so kostbar ist wie ein Schatz?“„Na, logo!“, findet Ben. „Du weißt mit deiner Schatzliste immer, wie toll du bist. Du brauchst sie einfach nur zu lesen. Das kann doch niemand mit Gold bezahlen!“ Da kann ich Ben nur zustimmen. Wenn das so ist, will ich unbedingt auch eine eigene Schatzliste haben. Ich selbst bin der Schatz! Er ist in mir drin! „Auf diese Idee wäre ich ohne dich gar nicht gekommen.“ Da strahlt Ben. Er ist ganz zufrieden mit sich, wie ein echter Pirat, der gerade ein Schiff gekapert hat. „Komm, lass uns alles sammeln, was auf unsere Liste kommt, auf deine und auf meine“, sagt er begeistert. „Ja, nur wie genau geht das Sammeln?“, überlege ich. „Keine Ahnung, wie ich alle meine Schätze finden kann.“ Ben denkt nach: „Wir brauchen einen Plan, einen Schatz-finde-Plan für Piraten!“ Das gefällt uns und dann stecken wir unsere Köpfe zusammen und erfinden unseren eigenen Schatz-finde-Plan. Und der geht so:

  • Wir sagen uns gegenseitig alles, was wir am anderen mögen.
  • Wir sammeln alles das, was wir an uns selbst mögen.
  • Wir sehen uns unsere Diktate und Rechentests an und finden alles das, was wir schon wissen und können.
  • Wir wollen auch alles aufspüren, was uns schon manchmal oder ausnahmsweise gelungen ist. Denn das zählt auch.
  • Dann wollen wir Piraten-Vergangenheits-Forscher spielen und alles aufschreiben, was wir vor langer, langer Zeit, als wir noch klein waren, schon geschafft haben.
  • Wenn mal etwas schiefgegangen ist, wollen wir dabei nach dem suchen, was trotzdem in Ordnung war und was wir daraus gelernt haben.
  • Wenn uns irgendwann nichts mehr einfällt, werden wir uns als Reporter tarnen, denn niemand muss wissen, dass wir Piraten auf Schatzsuche sind. Dann werden wir freundliche Menschen fragen, was sie an uns mögen oder was wir gut können.
  • Wir machen Piraten-Fotos zum Beweis.
  • Wir malen unsere Schatzkarte und tragen alle Schätze ein, die wir bei uns selbst finden.


„Ja!“, jubeln wir, denn wir sind sehr zufrieden mit unserem Piraten-Plan. Dann fangen wir sofort damit an, unsere Schätze in uns drin zu sammeln. Wir haben sehr viel zu tun.

Und hier kann man lesen, was mein Freund Ben schon auf seiner Liste hat:

  • Selina mag an mir am liebsten, dass ich so viele gute Ideen zum Spielen habe. Mit mir hat Selina nie Langeweile.
  • Ich bin am liebsten ein wilder Pirat und kann ein echter Freund sein.
  • Ich kenne mich mit Erster Hilfe aus. Das habe ich von meinem Papa gelernt.
  • Ich mag Kunststücke und habe mir schon selbst welche beigebracht. Da habe ich sehr lange geübt. Ich habe Ausdauer!
  • Ich kann so gut sprechen wie Mama und so schön schreiben wie Papa.
  • Ich mag Hunde und wenn ich groß bin, werde ich mal Hundeführer.
  • Ich liebe Witze und denke mir sogar selbst welche aus.
  • Am liebsten esse ich Pommes.
  • Ich mag sehr gerne kleine Kraftproben mit meinem großen Bruder. Bald werde ich so stark sein wie er.


Und auf meiner Liste steht schon:

  • Ben mag an mir, dass er mit mir alle Spiele und Streiche machen kann, die ihm und mir einfallen.
  • Ich bin ein Lausemädchen, weil ich so wild sein kann.
  • Ich bin ein Sonnenschein, weil ich so strahle wie die Sonne, wenn ich lache. Beides zusammen mag ich und ich glaube, dass ich ganz richtig bin, so wie ich bin.
  • Ich klettere gerne auf Bäume, auch auf hohe Bäume. Manchmal lege ich mich auf die großen, starken Zweige und lasse mich vom Wind schaukeln.
  • Ich kann gut Rad fahren, auch lange Strecken. Das habe ich geübt. Ich kann durchhalten!
  • Ich kann sehr schnell flitzen, weil ich wohl so gute Rennbeine habe.
  • Ich esse am liebsten Pfannkuchen …
  • Ich kann schon ein sehr schweres Wort schreiben und das heißt „vielleicht“. Bald lerne ich auch noch den Rest der schwierigen Wörter.
  • Ich kann eine echte Piraten-Freundin sein und habe immer, wenn mir langweilig ist, irgendwann einen guten Einfall.
  • Ich kann mit Mädchen spielen und auch mit Jungs, das habe ich von meinem Bruder Paul gelernt.
  • Malen mag ich sehr gerne, am liebsten mit Buntstiften oder Wachsmalkreiden.
  • Ich kann kleine wilde Katzen zähmen – weil ich Tiere mag und ganz viel Geduld habe.


„Das ist erst der Anfang, Selina“, stellt Ben fast etwas verwundert fest. „Ich wusste gar nicht, dass ich schon so viel kann und dass ich so ein cooler Typ bin!“ „Mir geht es auch so“, stelle ich ganz stolz fest. Dann verzieren wir unsere Schuhkartons und machen unsere Schatzkisten daraus. „Das Wichtigste ist das, was in unserer Schatzkiste drin ist“ „Genau! Das sind wir selbst.“ „Wir sind ein Schatz auf zwei Beinen!“ Dann kichern wir und balgen uns auf dem Boden, weil Piraten das bestimmt so machen, wenn sie einen Schatz gefunden haben. Immer wieder fällt uns etwas Neues ein. Da merken wir, dass wir lebendige Schätze sind und wohl von allen Seiten funkeln. Wir brauchen es nur zu entdecken. Dann johlen wir wie echte Piraten und entern ganz und gar unseren Tag.
 

Nach-Denk-Worte: Talente und Potenziale

Die Geschichte „Die Piraten-Schätze-Finder“ lädt dazu ein, den Fokus immer wieder auf Gelingendes zu richten, um das Selbst und das Selbstwertgefühl eines Kindes zu stärken. Zurückhaltende Kinder sind nicht faul, auch wenn das oft angenommen wird. Vielmehr bleiben sie aufgrund vielfacher Entmutigungserlebnisse stehen und geben auf. Bekommen sie einen Zugang zu ihren Potenzialen, gelingt es ihnen, sich im Fluss ihrer Talente und Möglichkeiten weiterzuentwickeln.
 

Schokolimente

(Schokolimente sind Vorschläge für Erwachsene, wie sie die aufgeworfenen Themen und Fragen zusammen mit den Kindern in Form von Aktionen, Spielen und Experimenten vertiefen und festigen können. Schokolimente sind süß wie Schokolade und machen so glücklich wie Komplimente.)

Meine Schatzliste

  • Kinder sammeln wie Selina und Ben ihre Stärken. Die Schatzliste kann immer wieder angesehen, erweitert und vertieft werden. Schatz-Fähigkeiten können auch gemalt und in einem Schatzbuch gesammelt werden.
  • Diese Liste kann auch in Zweier-Gruppen oder Kleingruppen entstehen: Was magst du am anderen? Was kann und weiß dein Gegenüber schon alles über dich? Was können wir zusammen machen?


Der Schatz in mir

  • Auf einen großen Bogen Papier wird der Umriss eines Kindes – vielleicht sogar lebensgroß – gezeichnet. Zu jedem Körperteil werden die Fähigkeiten oder inneren Qualitäten, das Kostbare, das im Wesen des Kindes liegt, aufgeschrieben oder gemalt. So kann ein Kind z.B. zu seinen Beinen alles schreiben oder malen, was es mit den Beinen und Füßen schon kann, wie etwa laufen lernen, schnell rennen, klettern etc. Bei den Händen steht alles, was es mit den Händen oder Fingern schon schaffen kann.
  • Als Gruppen- oder Klassen-Schatzliste lassen sich auf diese Weise auch die Fähigkeiten und Highlights von Gruppen oder Teams abbilden. Es ist sehr eindrucksvoll, wenn diese Werke im Gruppenraum oder Klassenzimmer hängen oder anlässlich eines Kita- oder Schulfests präsentiert werden.


Hat Ihnen die Geschichte gefallen? Die Geschichte ist entnommen aus dem Buch "Herzgeschichten. Kinder stärken und ihr Selbstwertgefühl fördern" von Angelika Grubert, das im Juli erscheint. Darin finden Sie viele weitere Mutmach-Geschichten! Schauen Sie im Juli einfach wieder in unserm Shop vorbei!

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