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Wie Vorschulkinder zu Erzählern werden

Publiziert am 02.05.2016  von Helga Gruschka

Im freien Spiel sind Kinder offen, Neues dazuzulernen und ihre Welt zu entdecken. Auch für das Geschichtenerzählen ist diese Lernbereitschaft durch die Hirnforschung bezeugt. Ein glückliches Zusammentreffen für die Lernaufgaben von Kindern im Vorschulalter: Nutzen Sie das aus und erzählen Sie mithilfe des Kamishibais eine Stunde pro Woche mit den Vorschulkindern Märchen.

Ziele des Märchenerzählens mit Vorschulkindern

  • Wortschatz erweitern
  • Kreativität und Vorstellungskraft entwickeln
  • Textverständnis fördern, Zusammenhänge entdecken
  • Gedanken in Bilder und Bilder in Sprache umsetzen
  • Arbeitsgedächtnis der Kinder entwickeln
  • Erzählfertigkeiten fördern

Märchenerzählen mit Bildkartensets

Bevor Sie die Kinder zur Märchenstunde rufen, schaffen Sie mit Tischtuch, Blumen, Kerze usw. eine anregende Erzählatmosphäre. Stellen Sie ein Bildkartenset ins Kamishibai. Erstellen Sie eine Begriffsliste, mit der Sie die Kinder in das Märchen hineinholen. Gerade Märchen haben Begriffe, die Kindern nicht geläufig sind, z.B. beim beliebten Tiermärchen „Der Wolf und die sieben Geißlein“: Geiß, Waschzuber, Brunnen, Wackersteine , oder bei „Dornröschen“: spinnen, Spindel.

Überlegen Sie, welche Begriffe oder Themen Sie für die Nachbesprechung des Märchens erarbeiten wollen: ein moralisches Problem, eine List, das Ende … Besprechen Sie dann die Wörter Ihrer Begriffsliste, bevor die Kinder ihre Augen schließen und unter Ihrer Anleitung ins Geschichtenland reisen. Erzählen Sie nun das Märchen Bild für Bild. Trauen Sie sich, neben der Bildbeschreibung frei zu erzählen. Behalten Sie die Kinder im Auge, stellen Sie Fragen, binden Sie die Ideen der Kinder mit ein. Zum Schluss schließen Sie die Türen des Kamishibais und kommen mit den Kindern wieder zurück in die Gegenwart.

In der Nachbesprechung können Sie mit den Kindern über die Geschichte, die Probleme, die Gefühle sprechen. Dabei geht der sprachliche Anspruch von einfachen kindlichen Sätzen bis hin zu poetischer Tiefe, vom Beschreiben eines einfachen Gefühls bis hin zum Austausch philosophischer Gedanken. Durch Verständnisfragen beziehen Sie die Vorschulkinder in die Erzählung ein und schaffen so Interaktionsmöglichkeiten.

Kreatives Märchenerzählen

Durch ein Erzählprojekt, das sich über mehrere Erzählstunden erstrecken kann, können Sie mit Vorschulkindern über das Nacherzählen von Märchen Erzählfreude und Sprechfreude fördern. Wählen Sie dazu ein Märchen aus und erzählen Sie es in der ersten Stunde des Märchenerzählprojekts. Wichtig ist: Erzählen Sie den Kindern dabei das Märchen ohne Bilder. Erzählen Sie dabei so frei wie möglich. Geben Sie den Kindern Raum zum Miterleben und stellen Sie Fragen nach unbekannten Begriffen, Sprache und Inhalt im Märchen, nach Sinneseindrücken oder nach einem anderen Schluss. Sprechen Sie auch über die Protagonisten und Gefühle im Märchen.

In der nächsten Erzählstunde fassen Sie das Märchen kurz zusammen, teilen das Märchen in sinnvolle Abschnitte ein, und vereinbaren mit den Kindern, wer zu welchem Abschnitt ein Bild malt. Wahrscheinlich werden Sie nun in unterschiedliche Gespräche verwickelt: Wie malt man Neugier? Wie malt man Stolz oder wie Geiz?

In einer weiteren Erzählstunde stellen Sie die Bilder der Kinder der Reihe nach ins Kamishibai und beginnen mit dem Erzählritual. Der Zeichner des ersten Bildes stellt sich neben sein Bild und erzählt den ersten Abschnitt des Märchens. Wenn das Kind fertig mit Erzählen ist, ziehen Sie sein Bild aus dem Kamishibai und bitten das nächste Kind, sein Bild zu erzählen. Als Moderator helfen, ergänzen und verbinden Sie die einzelnen Abschnitte miteinander. Ist ein Kind zu schüchtern oder sprachlich nicht in der Lage, dann machen Sie es mit dem Kind zusammen, indem Sie Verständnis- bzw. Rückfragen stellen. Zum Schluss haben Sie und die Kinder das ganze Märchen mit Bildern im Kamishibai gemeinsam erzählt. Sie werden feststellen, dass vor allem Kinder, die sprachliche Schwierigkeiten haben, mithilfe der Bilder besser erzählen können und dass die Kinder sich bemühen, Worte für ihre Bilder zu finden. Kinder lernen beim kreativen Märchenerzählen Gliederungen und wichtige Inhalte zu erkennen und diese über innere Bilder in äußeren Bildern festzuhalten. Sie gebrauchen ihre Bilder als Gedächtnisstütze und setzen sie in Sprache um.

Der Geschichtenbaukasten

Der Geschichtenbaukasten ist ein wichtiges Werkzeug für die Erzählpädagogik. Mit ihm erfinden Kinder ihre eigenen Geschichten in der Struktur einer Heldenreise. Das Wechselspiel zwischen Fantasie, Erzählen und Gestalten ermöglicht Kindern, innere Bilder in Sprache und selbstgestaltete Bilder zu übertragen. Ein geeignetes Medium, um Bilder zu präsentieren, die als Gedächtnisstützen zum Erzählen einer eigenen Geschichte dienen, ist das Kamishibai.

Bild: Der Geschichtenbauplan von Helga GruschkaDer Geschichtenbaukasten, so wie er von mir entwickelt wurde, besteht aus einem Geschichtenbauplan, auf dem nummeriert und mit einem „roten Faden“ verbunden die einzelnen Erzählschritte, die sich einer aus dem anderen entwickeln, angeordnet sind (Wo – Wer – Was – Womit – Wie usw.). Außerdem enthält der Geschichtenbaukasten verschiedene Geschichtenbausteine: kleine Kärtchen in verschiedenen Farben, aus denen die Kinder auswählen und mit denen die Kinder nach festgelegten Regeln spielerisch eine Geschichte „bauen“. (Näheres zum Geschichtenbaukausten finden Sie hier.) Das gemeinsame Geschichtenerfinden und -bauen ermöglicht jede Menge Sprechanlässe und fördert auf spielerische Weise die Sprachkompetenz, das logische Denken und die emotionale Intelligenz.

Helga Gruschka, ausgebildete Märchen- und Geschichtenerzählerin. In Kitas, Schulen, Bibliotheken und Krankenhäusern veranstaltet sie Geschichtenerfinder-Werkstätten und entwickelt dort zusammen mit den Kindern neue Geschichten. Sie gibt Fortbildungen für Erzieherinnen und Lehrkräfte zum Erzählenlernen. Ihr Kamishibai hat sie stets im Gepäck.

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