Fühlen - verstehen - wachsen: Diesen Sinn und Zweck haben Gefühle

Publiziert am 04.02.2025  von Sybille Schmitz

Ein Morgen in der Kita

Tamer war zwei Wochen mit seinen Eltern verreist und kommt heute wieder zurück in die Krippe. Gerade eben entdeckt er seine Bezugserzieherin und ein Strahlen breitet sich auf seinem Gesicht aus. Seine Körpersprache zeigt eindeutig: er freut sich, sie wiederzusehen, und er streckt die Arme nach ihr aus.

Welchen Sinn haben Gefühle?

Gefühle haben in unserer Psyche zwei Aufgaben:

  • Zum einen sind Gefühle die Sprache unserer Bedürfnisse. Unsere Bedürfnisse kommunizieren mit uns über viele Wege. Sie nehmen Kontakt zu unserem Bewusstsein auf über unsere Träume, unsere Gedanken, unsere Körperempfindungen, über vegetative Reaktionen unseres Nervensystems und über unsere Gefühle. Wenn wir bewusst auf unsere Gefühle achten und auch die Kinder achtsam bei ihren Gefühlen begleiten, finden wir heraus, was wir bzw. was sie brauchen, um sich wohlfühlen und ihr Potenzial entfalten zu können.
  • Außerdem sind menschliche Gefühle unsere Interpretation dessen, was wir erleben, unser subjektiver Blick auf die Welt und auf die Ereignisse, die in unserem Leben geschehen. Leon Windscheid (2021) formuliert dies so: „Wir fühlen, um zu verstehen, was wir erleben. […] Über unsere Gefühle gelingt uns die Transformation der Welt um uns herum. Erst durch sie können wir das, was uns umgibt, in unsere Köpfe holen.“

Über unser Fühlen nehmen wir eine Bewertung von Erlebnissen, Geschehnissen und Ereignissen vor – insbesondere von zwischenmenschlichen Begegnungen und Interaktionen. Wie geht es mir, wenn ich von der pädagogischen Fachkraft unserer Gruppe zu einem Bewegungsspiel eingeladen werde? Wie geht es mir, wenn ich aktiv an dem Bewegungsspiel teilnehme? Als Menschen lernen wir über das Empfinden und Verstehen von Gefühlen und Gedanken, denn sie geben uns wichtige Rückmeldungen darüber, wie unser subjektives Erleben in Resonanz geht mit unserem Umfeld.

Über Gefühle, Gedanken und Körper Bedürfnisse ausdrücken

Das Eisberg-Modell zeigt: Unsere Bedürfnisse drücken sich aus über Gefühle, Gedanken, Körperempfindungen, innere Bilder, Erinnerungen und Träume. Was wir davon nach außen zeigen (die Spitze des Eisberges) – in unserem Verhalten und in unserer Körpersprache – ist stark abhängig von der jeweiligen Kommunikationssituation, von unserer kulturellen Prägung und von unseren Kommunikationspartnern. Kinder lernen durch unser Vorbild und durch unsere Co-Regulation, wie sie mit ihren Gefühlen, Gedanken und Bedürfnissen achtsam umgehen können.

Warum auch negative Gefühle ihren Zweck haben

Auch sogenannte „negative“ Gefühle spielen für unseren Erkenntnisprozess, unsere Adaptation an die Welt und unser persönliches Wachstum eine wichtige Rolle. Hierzu schreibt Windscheid (2021): „Zuneigung, Vertrauen, Scham, Ekel, Melancholie, Schüchternheit, Eifersucht, Langmut oder Empathie, nicht jedes Gefühl spüren wir gerne und doch erfüllen alle einen Zweck. Gefühle warnen und motivieren uns, sind das soziale Schmiermittel unserer Gesellschaft, lenken unsere Aufmerksamkeit und bestimmen unser Verhalten. Sie verankern Erlebtes in unserem Gedächtnis, sind die Basis für Beziehungen, Humor und Kreativität und damit die Voraussetzung für unser Miteinander.“

Literatur

  • Schmitz, Sybille (2023). Bedürfnisorientierte Pädagogik in Kita, Hort und Schule: 28 Klappkarten mit Ideen für die Praxis. Don Bosco Medien.
  • Schmitz, Sybille (2022). Ich sehe Dich und verstehe, was Du brauchst. Fünf pädagogische Grundorientierungen zur Entwicklungsbegleitung. Don Bosco Medien.
  • Schmitz, Sybille (2022). Kinder in Krisen begleiten: 55 Fotokarten mit Impulsen für eine achtsame Pädagogik in Kita und Schule. Kindliche Resilienz stärken. Don Bosco Medien.
  • Windscheid, Leon (2021). Besser fühlen: Eine Reise zur Gelassenheit. Rowohlt Taschenbuch

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